Anforderungen im Lifecycle Management nach ISO/IEC/IEEE 29148:2011 formulieren

Die Norm betont auch die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Stakeholdern im Anforderungsprozess und fordert eine klare Kommunikation und Abstimmung zwischen ihnen. Durch die Einhaltung dieser Norm soll sichergestellt werden, dass die Anforderungen an ein Software-System klar, eindeutig, vollständig und konsistent sind und dass das Endprodukt den Anforderungen der Nutzer entspricht.

Was ist Anforderungsmanagement im Lifecycle Management

Im Kontext des Product Lifecycle Managements (PLM) bezieht sich Anforderungsmanagement auf den Prozess der Identifikation, Erfassung, Verwaltung und Überwachung von Anforderungen für ein Produkt über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Das Ziel des Anforderungsmanagements im PLM ist es, sicherzustellen, dass die Produktanforderungen erfasst und dokumentiert werden und dass sie während des gesamten Produktlebenszyklus verfolgt und verwaltet werden.

Das Anforderungsmanagement im PLM umfasst typischerweise die folgenden Schritte:

  • Anforderungsidentifikation: Identifizierung der Anforderungen durch die Zusammenarbeit mit Kunden, Stakeholdern und anderen Fachleuten, die das Produkt beeinflussen.

  • Anforderungserfassung und -dokumentation: Erfassung und Dokumentation der Anforderungen in einer zentralen Datenbank oder einem anderen System.

  • Anforderungsanalyse und -verarbeitung: Überprüfung der Anforderungen auf Korrektheit, Vollständigkeit und Konsistenz sowie Priorisierung der Anforderungen nach ihrer Wichtigkeit für das Produkt.

  • Anforderungsmanagement und -verfolgung: Überwachung und Verwaltung der Anforderungen während des gesamten Produktlebenszyklus, um sicherzustellen, dass sie erfüllt werden und dass Änderungen oder Updates dokumentiert werden.

  • Anforderungskommunikation: Klare Kommunikation der Anforderungen an die relevanten Stakeholder und Teammitglieder, um sicherzustellen, dass alle auf demselben Stand sind.

  • Anforderungsrückverfolgbarkeit: Nachverfolgung der Anforderungen im gesamten Entwicklungsprozess und Erstellung von Berichten über den aktuellen Stand der Anforderungen.

Das Anforderungsmanagement im PLM ist ein wesentlicher Bestandteil des Produktentwicklungsprozesses und ermöglicht es, ein qualitativ hochwertiges Produkt zu entwickeln, das den Anforderungen der Kunden und der Stakeholder entspricht.

Anforderungsmanagement nach ISO 29148
Bild 1 - Varianten im CAD Modell (Konfigurationen)

Beispiel für die Formalisierung einer Anforderung

Dieses Beispiel zeigt die Formalisierung eines Getriebes mit der Bedingung Drehzahl und Bauraumgröße. Die Formalisierung eignet sich sehr gut für die Integration in einer Datenbank. Quelle : Gebhardt et al. 2012 

Was umfasst alles die ISO 29148?

Die ISO 29148 ist eine Norm, die sich mit dem Thema „Systems and software engineering — Life cycle processes — Requirements engineering“ befasst. Die Norm definiert Anforderungen an den Prozess des Anforderungsmanagements und beschreibt, wie Anforderungen in den verschiedenen Phasen des Software-Lebenszyklus erfasst, analysiert, validiert, dokumentiert und verwaltet werden sollen.

Die ISO 29148 umfasst die folgenden Bereiche:

  1. Anforderungserhebung und -analyse: Dieser Bereich befasst sich mit der Identifikation und Analyse von Anforderungen, einschließlich der Erstellung von Nutzerprofilen, der Erhebung von Anforderungen von verschiedenen Stakeholdern und der Analyse von Anforderungen auf Vollständigkeit, Konsistenz und Nachvollziehbarkeit.

  2. Anforderungsspezifikation und -dokumentation: Dieser Bereich befasst sich mit der Beschreibung und Dokumentation von Anforderungen, einschließlich der Erstellung von Anforderungsdokumenten, der Verwendung von Anforderungsvorlagen und der Organisation von Anforderungen.

  3. Anforderungsvalidierung und -verifikation: Dieser Bereich befasst sich mit der Überprüfung und Validierung von Anforderungen, einschließlich der Verwendung von Reviews, Tests und Simulationen, um sicherzustellen, dass die Anforderungen korrekt und vollständig sind.

  4. Anforderungsmanagement und -verfolgung: Dieser Bereich befasst sich mit der Verwaltung von Anforderungen über den gesamten Lebenszyklus hinweg, einschließlich der Verfolgung von Änderungen an Anforderungen, der Verwaltung von Anforderungsabstimmungen und der Verwaltung von Anforderungsbeziehungen.

Die ISO 29148 legt auch einen Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Stakeholdern im Anforderungsprozess und fordert eine klare Kommunikation und Abstimmung zwischen ihnen. Durch die Einhaltung dieser Norm soll sichergestellt werden, dass die Anforderungen an ein Software-System klar, eindeutig, vollständig und konsistent sind und dass das Endprodukt den Anforderungen der Nutzer entspricht.

Wo finde ich Informationen zur ISO 29148?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um Informationen zur ISO 29148 zu finden:

  1. ISO-Website: Die offizielle Website der International Organization for Standardization (ISO) bietet Zugriff auf die vollständigen Texte der Norm. Sie können auf der Website der ISO unter https://www.iso.org/standard/45171.html mehr Informationen zur ISO 29148 finden.

  2. Bibliotheken: Die Norm kann auch in verschiedenen Bibliotheken oder Bibliotheksdatenbanken verfügbar sein. Sie können zum Beispiel in Ihrer örtlichen Bibliothek nachfragen, ob sie Zugang zu Normen haben.

  3. Fachzeitschriften und Fachbücher: Es gibt eine Reihe von Fachzeitschriften und Fachbüchern, die sich mit dem Thema Anforderungsmanagement und der ISO 29148 befassen. Sie können online oder in einer Fachbuchhandlung nach solchen Quellen suchen.

  4. Schulungen und Workshops: Es gibt verschiedene Schulungen und Workshops, die sich auf das Thema Anforderungsmanagement und die ISO 29148 konzentrieren. Sie können online nach entsprechenden Kursen suchen.

  5. Beratungsunternehmen: Es gibt auch Beratungsunternehmen, die auf das Thema Anforderungsmanagement spezialisiert sind und Ihnen bei der Umsetzung der ISO 29148 helfen können.

Warum sind Anforderungen sehr wichtig im Zusammenhang mit der Modularisierung im PLM?

Anforderungen spielen eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Modularisierung im PLM, da sie helfen, die Struktur und Funktion eines Produkts zu definieren und die Grundlage für die Entwicklung modularer Designs zu schaffen. Modularisierung bedeutet, dass ein Produkt in verschiedene unabhängige Module aufgeteilt wird, die jeweils eine spezifische Funktion erfüllen und einfach ausgetauscht oder aktualisiert werden können, ohne das gesamte System zu beeinträchtigen.

Wenn Anforderungen klar und präzise definiert sind, können sie als Basis für die Modulbildung dienen und sicherstellen, dass jedes Modul spezifische Anforderungen erfüllt. Zum Beispiel könnte eine Anforderung für ein Produkt lauten, dass es wasserdicht sein muss. Wenn diese Anforderung in den Anforderungen spezifiziert ist, kann ein Modul, das für die wasserdichte Abdichtung verantwortlich ist, definiert werden und das Design des Moduls kann auf diese Anforderung ausgerichtet werden.

Die Verwendung von Modulen, die auf spezifischen Anforderungen basieren, vereinfacht auch die Verwaltung des Produktlebenszyklus und ermöglicht eine schnellere Einführung von Änderungen und Aktualisierungen. Wenn beispielsweise eine neue Anforderung hinzugefügt wird, kann ein neues Modul erstellt werden, das speziell dafür entwickelt ist, diese Anforderung zu erfüllen, und es kann einfach in das bestehende System integriert werden.

Daher sind Anforderungen und Modulbildung wichtige Konzepte im PLM und sie ermöglichen es, Produkte schnell, kosteneffektiv und mit geringem Risiko zu entwickeln, während gleichzeitig die Anforderungen der Kunden erfüllt werden.

Bedeutung im Zusammenhang mit CPQ

CPQ (Configure-Price-Quote) ist ein Prozess, der es Unternehmen ermöglicht, ihre Produkte oder Dienstleistungen zu konfigurieren, den Preis zu berechnen und ein Angebot für den Kunden zu erstellen. Anforderungen spielen auch hier eine wichtige Rolle, da sie dazu beitragen, sicherzustellen, dass die richtigen Produkte oder Dienstleistungen konfiguriert und der Preis entsprechend berechnet wird.

Wenn Anforderungen in den CPQ-Prozess integriert werden, können Unternehmen sicherstellen, dass die von ihnen angebotenen Produkte und Dienstleistungen den Bedürfnissen und Anforderungen der Kunden entsprechen. Indem sie Anforderungen in ihre CPQ-Systeme integrieren, können Unternehmen auch sicherstellen, dass ihre Angebote vollständig und präzise sind und dass alle erforderlichen Informationen enthalten sind.

Zum Beispiel kann ein Unternehmen, das komplexe Maschinen oder Anlagen verkauft, Anforderungen in den CPQ-Prozess integrieren, um sicherzustellen, dass die Konfiguration des Produkts alle spezifischen Anforderungen des Kunden erfüllt. Die Anforderungen können auch dazu beitragen, dass das CPQ-System automatisch die richtigen Komponenten und Ersatzteile für das Produkt auswählt, die für die spezifische Anwendung des Kunden benötigt werden. Wenn die Anforderungen richtig umgesetzt werden, kann dies auch dazu beitragen, dass das Angebot für den Kunden genau auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist und dass alle relevanten Kosten wie Versand, Installation und Wartung berücksichtigt werden.

Insgesamt kann die Integration von Anforderungen in den CPQ-Prozess dazu beitragen, dass Unternehmen ihre Vertriebsprozesse optimieren, die Kundenzufriedenheit verbessern und wettbewerbsfähiger werden.

Anforderungen haben einen eigenen Lebenzyklus innerhalb der Produktentwicklung im PLM

Anforderungen haben tatsächlich einen eigenen Lebenszyklus innerhalb der Produktentwicklung im PLM, und ihre Entwicklung und Verwaltung ist ein wichtiger Teil des PLM-Prozesses. Hier ist ein Beispiel für den Lebenszyklus von Anforderungen im PLM:

  • Identifikation: In dieser Phase werden die Anforderungen identifiziert und dokumentiert, entweder durch Kundenfeedback oder durch interne Bedarfsanalysen. Beispielsweise kann ein Unternehmen, das ein neues Produkt entwickeln möchte, eine Kundenbefragung durchführen, um deren Bedürfnisse und Anforderungen zu ermitteln.

  • Spezifikation: In dieser Phase werden die Anforderungen detailliert und spezifiziert. Zum Beispiel könnte die Anforderung an ein Produkt lauten, dass es leicht und einfach zu bedienen sein sollte. In dieser Phase würden weitere Details wie das Gewicht, die Größe, das Design und die Benutzeroberfläche spezifiziert werden.

  • Bewertung: In dieser Phase werden die Anforderungen auf ihre Realisierbarkeit und Umsetzbarkeit geprüft. Es werden Bewertungskriterien entwickelt, um sicherzustellen, dass die Anforderungen in der Praxis erfüllt werden können. Zum Beispiel könnte eine Anforderung an ein Produkt lauten, dass es eine lange Lebensdauer haben sollte. In dieser Phase würden verschiedene Tests durchgeführt, um sicherzustellen, dass das Produkt tatsächlich langlebig ist.

  • Umsetzung: In dieser Phase werden die Anforderungen in das Design und die Entwicklung des Produkts integriert. Das Design und die Entwicklung müssen darauf ausgerichtet sein, die Anforderungen zu erfüllen. Zum Beispiel würde das Design des Produkts entsprechend den Anforderungen entwickelt werden, die in den vorherigen Phasen spezifiziert wurden.

  • Verifikation: In dieser Phase werden die Anforderungen überprüft, um sicherzustellen, dass sie ordnungsgemäß umgesetzt wurden. Es werden verschiedene Tests durchgeführt, um sicherzustellen, dass das Produkt alle Anforderungen erfüllt hat. Zum Beispiel könnte ein Produkt auf seine Langlebigkeit getestet werden, um sicherzustellen, dass es die Anforderungen erfüllt.

  • Änderung: In dieser Phase können Anforderungen geändert werden, wenn sie sich ändern oder aktualisiert werden müssen. Beispielsweise könnte eine Anforderung geändert werden, wenn ein neues Feature oder eine neue Funktionalität hinzugefügt werden soll.

  • Archivierung: In dieser Phase werden die Anforderungen archiviert, wenn das Produkt eingestellt oder ersetzt wird. Dies ermöglicht es dem Unternehmen, die Anforderungen für zukünftige Produkte oder Projekte zu verwenden oder zu referenzieren.

Jede Phase hat ihre eigenen Ziele und Aktivitäten, die es dem Unternehmen ermöglichen, sicherzustellen, dass das Endprodukt die spezifizierten Anforderungen erfüllt und den Bedürfnissen des Kunden entspricht.

Worin liegt der Unterschied zwischen einer Anforderung und einer Spezifikation?

Obwohl die Begriffe „Anforderung“ und „Spezifikation“ oft synonym verwendet werden, gibt es einen Unterschied zwischen ihnen.

Eine Anforderung ist eine Aussage, die den Bedarf oder die Erwartungen eines Benutzers, Kunden oder Stakeholders für ein Produkt oder System beschreibt. Sie beschreibt, was das Produkt oder System tun sollte, aber nicht unbedingt, wie es erreicht wird. Zum Beispiel könnte eine Anforderung für ein neues Mobiltelefon lauten: „Das Mobiltelefon muss eine lange Batterielebensdauer haben.“

Eine Spezifikation hingegen ist ein Dokument, das detaillierte Anweisungen und technische Details darüber enthält, wie ein Produkt oder System hergestellt oder entwickelt werden soll, um die Anforderungen zu erfüllen. Es beschreibt die genauen Merkmale, Eigenschaften, Leistungsanforderungen und andere technische Details, die zur Erfüllung der Anforderungen erforderlich sind. Zum Beispiel könnte eine Spezifikation für ein neues Mobiltelefon detaillierte Informationen über die Batterieleistung, das Design, die Benutzeroberfläche, die Hardware und die Softwareanforderungen enthalten.

In einfachen Worten: Eine Anforderung beschreibt „Was“ erforderlich ist, während eine Spezifikation beschreibt „Wie“ es erreicht werden soll. Während Anforderungen das Verständnis der Benutzeranforderungen unterstützen, sind Spezifikationen ein wichtiger Teil des Entwicklungsprozesses, um sicherzustellen, dass das endgültige Produkt die Anforderungen erfüllt.

Zusammenfassung und weitere Schritte

  • Anforderungen sind Bedürfnisse, Erwartungen oder Vorgaben, die an ein Produkt gestellt werden. Sie beschreiben, was das Produkt leisten oder erfüllen soll, jedoch nicht, wie es das tun soll.

  • Eine Produktstruktur beschreibt die hierarchische Struktur des Produkts und die Beziehungen zwischen seinen verschiedenen Komponenten. Sie zeigt, wie die Komponenten zusammenarbeiten, um das Produkt zu erstellen.

  • Eine Funktionsstruktur beschreibt, wie das Produkt die Anforderungen erfüllen soll. Sie beschreibt die Funktionen, die das Produkt ausführen muss, um die Anforderungen zu erfüllen, und zeigt, wie diese Funktionen durch die Komponenten in der Produktstruktur realisiert werden.

In der Produktarchitektur werden diese Konzepte miteinander kombiniert, um ein Produkt zu entwerfen, das die Anforderungen erfüllt. Zum Beispiel könnte ein Getriebe bestimmte Anforderungen haben, wie z.B. eine hohe Effizienz, eine lange Lebensdauer und eine reibungslose Funktion. Die Produktstruktur des Getriebes würde die verschiedenen Komponenten des Getriebes beschreiben, wie z.B. Zahnräder, Wellen und Lager. Die Funktionsstruktur würde die Funktionen des Getriebes beschreiben, wie z.B. die Übertragung von Drehmoment und Geschwindigkeit. Durch die Integration von Anforderungen, Produktstruktur und Funktionsstruktur kann ein effektives und leistungsfähiges Getriebe entwickelt werden.

In weiteren Beiträgen werde ich beschreiben wie man eine Produktarchitektur entwicklelt und wie man die Zusammenhänge zwischen Produktstruktur und Funktionsarchitektur darstellt.